Über die Arbeit von Leben mit Behinderung in Hamburg.

Artikelserie

Teil 2 unserer vierteiligen Artikelserie „Arbeit für Menschen mit komplexen Behinderungen“! In unregelmäßiger Reihenfolge möchten wir hier im Blog dokumentieren, wie unsere Mitgliedsorganisationen mit und für behinderte Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf arbeiten. Diese Menschen leben mit einer oder mehreren starken Beeinträchtigungen und haben selten Zugang zu regulärer Arbeit. Wir berichten über Menschen, die solche Zugänge schaffen.Heute stellen wir vor, wie Leben mit Behinderung Hamburg das Arbeiten im Sozialraum möglich macht.

Eine Sitzung der Interessenvertretung der Tagesstätte

Leben mit Behinderung Hamburg ist ein Zusammenschluss von 1.600 Familien mit einem Angehörigen mit einer Behinderung. Der Elternverein wurde 1956 gegründet und war damals deutschlandweit die erste Selbsthilfe-Vereinigung von Eltern mit Kindern mit Behinderung. Heute liegen unsere Aufgaben in der Interessenvertretung, Beratung, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit. Die gleichberechtigte Beteiligung von Menschen mit Behinderung am Leben unserer Stadt ist unser Ziel.

Bei Leben mit Behinderung Hamburg arbeiten knapp 1000 festangestellte Mitarbeitende. Wir unterstützen Familien in ihrem persönlichen Umfeld, in den Horten im Anschluss an die Schule oder den Ferienreisen. Wir unterstützen über 1100 erwachsene Menschen in ihrer eigenen Wohnung und in unseren Wohngemeinschaften. In unseren Tagesstätten, dem Kunstatelier Freistil und zwei Lernwerkstätten finden über 400 Menschen mit teils sehr hohem Unterstützungsbedarf einen Arbeitsplatz. Unsere Arbeit prägen Selbstbestimmung und Teilhabe der Klient*innen.

In den vergangenen Jahren konnten wir die betriebliche Teilhabe von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf enorm fördern und ausbauen. Wir freuen uns, dass wir heute über 70 Kooperationen mit Betrieben in Hamburg haben. Jede unserer insgesamt 12 Tagesstätten kann somit betriebliche Teilhabe anbieten und durchführen. Dies bedeutet, dass die Menschen auch außerhalb der Tagesstätten arbeiten und so Teilhabe leben und erleben.

Eine Papier-Sammelaktion von Leben mit Behinderung.

Gemeinsam mit den Menschen mit Behinderung erkunden wir die Sozialräume der Tagesstätten im gesamten Stadtgebiet und suchen aktiv nach möglichen Kooperationspartnern. Die Interessen und Wünsche der Menschen stehen im Mittelpunkt, denn die gemeinsame Arbeit soll neben Entwicklungsmöglichkeiten vor allem Spaß bereiten. Durch eine Koordinationsstelle, welche alle Angebote der betrieblichen Teilhabe in den Tagesstätten nicht nur im Blick hat, sondern behilflich ist diese auszubauen, ist es uns möglich, alle Facetten der betrieblichen Teilhabe wahr zu nehmen und zu organisieren. Die Koordinationsstelle steht im stetigen Austausch mit den Assistenzen und Beschäftigten vor Ort, um alle Wünsche und Bedürfnisse gut im Blick zu haben und diese in Form von Kooperationen umsetzen zu können.

Es ist uns wichtig, dass die Arbeit der Menschen mit Behinderungen von den Kooperationspartnern auch als Unterstützung erlebt wird. Immer wieder erhalten wir Rückmeldungen, dass dies gelingt: „[…] Ihr seid eine großartige Hilfe für uns […]. Wirklich klasse!“, lobt uns ein Kooperationspartner. Auch die Menschen mit Behinderungen schätzen die Arbeit außerhalb der Tagesstätte: „Ich freu mich auf nächsten Dienstag. Dann geht`s wieder los“. Für alle Beteiligten entsteht so eine angenehme und gewinnbringende Zusammenarbeit.

Auch aus Leitungsperspektive ist die arbeitsweltorientierte sozialräumliche Arbeit ein großer Gewinn: „Da die Personenzentrierung für uns eines der wichtigsten Anliegen ist, macht es mir besonders viel Freude, die betriebliche Teilhabe auszubauen. Die sinnvolle Arbeit und größtmögliche Beteiligung der Menschen am ersten Arbeitsmarkt, doch auch die erlebbaren Strukturen durch Zuverlässigkeit und die wertvollen Begegnungsräume, schaffen eine so wichtige Sichtbarkeit unserer Tagesstätten“, äußert der Leiter einer Tagesstätte.

Leben mit Behinderung bringt auch eine Stadtteilzeitung heraus.

Um die Teilhabe und Mitbestimmung der Menschen mit Behinderung zu festigen haben wir 2022 in allen unserer Tagesstätten eine Interessenvertretung installiert. Die Interessenvertretung ist ein gewähltes Gremium unserer Nutzer*innen.

So sind die Stimmen der Menschen mit Behinderungen noch lauter geworden und die Teilhabe und Mitbestimmung in den Fokus gerückt.

Was ist eine Tagesförderstätte?

Tagesförderstätten, Beschäftigungs- und Förderbereiche oder auch „Förder- und Betreuungsbereiche“ sind Orte, die Teilhabeleistungen für erwachsene behinderte Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf erbringen. Es gibt keinen bundesweit einheitlichen Standard zur inhaltlichen Ausrichtung der Angebote. Auch organisatorisch sind sie unterschiedlich aufgestellt: Es gibt Tagesförderstätten, die organisatorischer Teil einer Werkstatt für behinderte Menschen sind, andere sind Wohneinrichtungen angegliedert und es gibt Tagesförderstätte als selbstständige Organisationseinheiten. Klient*innen von Tagesförderstätten stehen anders als Beschäftige in Werkstätten für behinderte Menschen nicht in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis zur Einrichtung. Sie sind damit auch ausgeschlossen von Leistungen der Sozialversicherungen.

Autor*in

Portrait von Markus Wilhelmi und Verena Lück

Markus Wilhelmi und Verena Lück

Markus Wilhelmi, Leitung Tagesstätte Falkenbek, Leben mit Behinderung Hamburg.
Verena Lück, Koordinatorin der Interessenvertretung, Leben mit Behinderung Hamburg.

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